Russland und Europa im 17. Jahrhundert
Zar Peter I. (1689 – 1725) der Große

Etwa um 1720 hatte sich Russland komplett gewandelt. An Stelle von Moskau war St. Petersburg als neue Hauptstadt geschaffen worden, die bald als moderne Weltstadt galt. Diese Veränderungen bewirkte Zar Peter I.
Schon als Junge war ihm die alte Tradition verpönt. Er verbrachte viel Zeit in der „Ausländervorstadt“ von Moskau. Sein Interesse galt den neuen Techniken, vor allem dem Schiffsbau. Ein Schweizer und ein Schotte waren seine besten Freunde. Schon spielerisch trainierte er, Regimenter aufzustellen und sie mit neuen Geschützen ins Manöver zu schicken.
Als Peter mit 17 Jahren an die Regierung kam, zeigte er sein Erlerntes bereits in dem Krieg gegen die Türken – er gewann. Daraufhin wurden überall europäische Berater und Offiziere eingesetzt. Russische Adlige wurden zum Studium in den Westen geschickt. Peter selbst reiste – als Unteroffizier verkleidet – ein Jahr nach Europa, wo er doch bald erkannt wurde. Nach einer Ausbildung zum Kanonier und Schiffszimmermann musste er wegen eines Aufstands der Moskauer Leibgarde zurück in die Heimat.

Modernisierung Russlands
- Beseitigung der Leibgarde und Ausbildung einer ständig einsetzbaren Armee nach europäischem Vorbild (Kasernen, Drill) – Sie bestand bald aus 200 000 Mann – Aufbau einer Flotte (fast 50 Linienschiffe und 800 Galeeren)
- Heer und Flotte regten die Wirtschaft an: Fabriken und Werften wurden gebaut, Manufakturen entstanden. Die Technik entsprach bald dem westlichen Standard. Die Landwirtschaft produzierte, es konnte exportiert werden. Ebenso der Handel wurde erschlossen ( Kaviar, Lachs, Pelze) und mit dem Westen verknüpft. Steuergelder erhöhten sich.
- Gesellschaftliche Neuerungen: Die führende Schicht des Landes, Adlige und Geistliche, mussten die Schulen besuchen, ansonsten durften sie nicht heiraten oder Offiziere werden. Westliche Bücher wurden ins Russische übersetzt. Es erschien sogar die erste russische Zeitung. Der Adel erhielt besondere Pflichten im Staatsdienst, behielt jedoch seine Privilegien (z.B. Steuerbefreiung).
Der Zar verlangte durch ein neues Steuergesetz von Bauern und unfreien Knechten die gleichen Abgaben (Kopfsteuer). Die Situation der Landbewohner und Armen verschlechterte sich dadurch noch mehr. Frondienste und Leibeigenschaft verhinderten, dass Menschen ihr Recht vor Gericht einklagen konnten.
Bedeutung Peters I. (des Großen)
Es gab über seine Reformen unterschiedliches Denken und gespaltene Urteile:
- Durch Zar Peter sei es möglich geworden, dass Russland sich dem westlichen Standard angeglichen und einen Namen gemacht habe. Gebietliche Erweiterungen im Süden und Westen zeigten dies. Mit dem Sieg über die Schweden 1721 kamen z.B. die baltischen Länder zu Russland. Außerdem wurden die Türken besiegt.
- Die Gegner der Reformen kritisierten, dass durch die Neuerungen ein Bruch zwischen Zar und Volk entstanden sei. Die oberen Klassen hätten die russischen Bräuche gegen ausländische Lebensart eingetauscht. Das freie Volk sei zu unfreien Sklaven geworden.
Russland und Katharina II. (1762 – 1796)

Der Einfluss der Ausländer nahm nach dem Tod Peters des Großen weiterhin zu. Zarentöchter heirateten europäische Prinzen. Als der Enkel Peters I. ermordet wurde, kam seine Witwe Katharina, eine deutsche Fürstentochter, auf den russischen Kaiserthron.
1767 rief Katharina eine Kommission von Fachleuten ein, um u.a. neue freiheitliche Grundsätze zu besprechen:
- Gleichheit der Bürger
- Alle sind den Gesetzen unterworfen
- Kein Ämtermissbrauch
- Keine Unterdrückung der Armen
- Keine Vernachlässigung des Ackerbaus und der Bauern
Was geschah aber wirklich?
Katharinas Günstlingen, Liebhabern, Schmeichlern und Höflingen wurden Ämter und Vollmachten gegeben:
- Land und leibeigene Bauern wurden verschenkt
- Befreiung des Adels vom Armeedienst und dem Dienst in der Verwaltung
- Grundherren durften ungestraft mit ihren Leibeigenen machen, was sie wollten
- Bauernaufstände wurden niedergeschlagen
- Versprochene Gesetze gab es nicht
- Volk erhielt keine Verfassung
- Macht des Zaren blieb uneingeschränkt
Außenpolitisch verfolgte Katharina die Politik Peters des Großen:
- Verdrängung der Türken vom Schwarzen Meer
- Erschließung und Besiedlung der eroberten Gebiete im Osten und Süden
- Ausdehnung des Landes in den Westen
Russlands Ausdehnung auf Polen
Die Könige in Polen waren seit dem 17. Jahrhundert machtloser als der Adel. Die Einschränkung der Monarchie führte jedoch nicht wie in England zu einer parlamentarischen Ordnung. Die Masse des polnischen Volkes blieb rechtlos. Zwei Drittel waren leibeigene Bauern, Bürgertum gab es kaum. Der Adel führte zusammen mit der Geistlichkeit ein reiches kulturelles Leben. Die wirtschaftlichen Abläufe wurden nicht vom Adel unterstützt, sondern man überließ sie den Juden. Die Hälfte aller damaligen Juden lebten in Polen (rund 1 Million). Als kleine Händler und Handwerker verdienten sie ihren Lebensunterhalt.
Polen erlaubte verschiedene Religionen im Land. Durch diese Toleranz war Polen konfessionell gespalten und fand deshalb auch zu keiner richtigen Einheit. Russland griff mehrmals unter dem Vorwand, die orthodoxen Christen schützen zu müssen, in Polen ein. Polnisches Land wurde erobert. Brandenburg-Preußen, Russland, Österreich und Frankreich nahmen immer mehr Einfluss auf die polnische Königswahl. Nach und nach verlor Polen immer mehr von Land und Bevölkerung, bis es dann schließlich 1795 unter den Nachbarstaaten aufgeteilt wurde. Der „große Raub“ war vollendet.